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Geschichte Halima

Es war einmal … so beginnen alle Märchen. Und nicht nur im Märchen gehen Wünsche in Erfüllung, auch für einige muslimische Eltern ging der Wunsch „einen eigenen muslimischen Kindergarten zu gründen“ in Erfüllung. Wie alles begann und wie viel harte Arbeit auf dem Weg vom Wunsch bis zur Verwirklichung der Idee zu bewältigen waren, davon erzählt der Bericht auf den folgenden Seiten.

Es war einmal in Karlsruhe eine Handvoll Geschwister im Islam. Diese fragten sich ernsthaft, ob es für ihre Kinder tatsächlich vorteilhaft sei, einen Kindergarten zu besuchen. Schließlich verbringen ja viele Kinder eine lange Zeit des Tages außerhalb der Familie entweder in der Obhut einer Tagesstätte oder eines Kindergartens, damit sie sich dort, im alltäglichen Spiel mit Gleichaltrigen, gesund entwickeln können. Da alle Nachbarskinder Kindergärten besuchten, nahm man an, dass auch die eigenen Kinder dorthin gehen sollten. Den Eltern war auch bekannt, dass einige muslimische Kinder bereits verschiedene Kindergärten besuchten und kannten deshalb auch deren Probleme oder Schwierigkeiten. Welche Probleme waren das? Sind es Schwierigkeiten, die nur muslimische Eltern hatten? Wie geht man damit um?

Die meisten Eltern nutzten die Möglichkeiten, die hierzulande geboten wurden, und vertrauten ihre Kinder den nahegelegenen Kindergärten an. Andere Eltern äußerten Bedenken, brachten dennoch ihre Kinder zur Fremdbetreuung, da sie durch ihre Berufstätigkeit darauf angewiesen waren und keine anderen Möglichkeiten einer Änderung sahen. Wieder andere muslimische Eltern schickten ihre Kinder grundsätzlich nicht in Kindergärten, weil sie nicht wollten, dass ihnen ihre Kinder in diesem Alter entfremdet werden. Ist das wirklich so?

Anthroposophen hatten eigene Kindergärten, die sich sehr von den Gemeindekindergärten und üblichen konfessionellen Einrichtungen unterscheiden. Warum? Es entstanden verschiedene Elterninitiativen, die unterschiedliche Erziehungsmethoden als pädagogische Grundlage für ihren eigenen Kindergarten hatten. – Aha! Dort haben sich Eltern zusammengefunden, einen Verein gegründet und in Eigenarbeit einen Kindergarten aufgebaut, damit ihre Kinder die bestmögliche Erziehung nach ihren Vorstellungen erhalten. Die Erziehung sollte freiheitlich sein, so dass sich die Kinder körperlich und geistig ihrer Persönlichkeit nach entwickeln können.

Einen „eigenen Kindergarten“ aufbauen, das wollten jene Karlsruher Geschwister auch. Aber hatten sie die Zeit, konnten sie die Anstrengung aushalten, und wie macht man das eigentlich überhaupt? So beschlossen sie, dass ihre Kinder erst einmal weiterhin die vorhandenen Kindergärten besuchen sollten. Auf diese Weise hätten die Kinder Spielkameraden und die Eltern selbst mehr Zeit, sich über die Verwirklichung eines eigenen Kindergartens Gedanken zu machen. So hatte man immer Kontakt zum Kindergarten und konnte durch eigene Erfahrung und Eigenstudium sehen, welche Punkte überdacht und gegebenenfalls geändert werden musste, auch in Bezug auf anderen Kulturen und Religionen. Bis, – wenn das überhaupt klappen würde-, man einen „eigenen Kindergarten“ auf die Beine gestellt hatte, wollte man den Kindern die Möglichkeit bieten, viel Zeit miteinander im Spiel zu verbringen. Deshalb organisierten einige muslimische Mütter immer freitags ein für alle Kinder offenes „Kindertreffen“. Das war im Jahr 1993. Es wurden dort Geschichten über die Propheten erzählt, aber auch gemalt, gebastelt, gesungen, gekocht, gebacken sowie Ausflüge, Fahrradtouren und Grillfeste organisiert. Man verrichtete das Gebet gemeinsam, fastete im Ramadan und übte spielerisch die Hadsch, was die Kinder als kleine Aufführung auf dem  Opferfest zeigten. Die Kinder bastelten im November auch Laternen, machten einen Laternenumzug und sangen dabei Laternenlieder und auch islamische Lieder, die sie im Kindertreff gelernt hatten. Zu Weihnachten wurde die Geschichte vom Propheten Jesus a.s. erzählt, Im Gegenzug dazu, erzählten die muslimischen Kinder von ihren „eigenen“ Festen, dem Ramadan- und dem Opferfest in ihren Kindergarten. Es wurden auch gemeinsam mit den Eltern an den christlichen Festtagen eine Kirche besucht.

Während die Mütter sich um das Kindertreffen kümmerten, begannen die Väter die Organisation des Kindergartens in die Hände zu nehmen, was sich als schwierig darstellte, denn es gab verschiedene Vorstellungen. Wie kann man das unter einen Hut bringen?

Denn es gab viele Fragen. Wie stellt man sich so einen Kindergarten vor? Wie viel würde so ein Projekt kosten? Was wäre, wenn man den Kindergarten schon hätte, was wäre wichtig? Es gab Fragen und Themen ohne Ende. Wo sollte man anfangen? Die Mütter boten ihre Mithilfe an und wollten, um erst einmal den Rahmen abzustecken, als erstes die Behörden kontaktieren. Der Termin beim Karlsruher Jugendamt war schnell vereinbart: „Eine Elterninitiative will einen Kindergarten eröffnen.“ Später war dann klar, dass die Zuständigen bei der Stadt nicht mit muslimischen Eltern gerechnet hatten und schon gar nicht mit Kopftuch tragenden Frauen. Da der Islam in Deutschland leider von vielen immer noch als „fremdländische Religion“ eingestuft wird, war es nicht verwunderlich, dass die Beamten den Müttern dieses Argument als Begründung für ihre erste Skepsis gegenüber dem Kindergartenprojekt vorgelegt haben. Aber es war allen Eltern von Anfang an sehr wichtig, ehrlich und aufrichtig an die Kindergartenplanung heranzugehen, so dass es keinen Grund gab, mit irgendetwas hinterm Berg zu halten. So fand man heraus, dass zuerst ein eingetragener, gemeinnütziger Verein gegründet werden musste, wozu man 7 Gründungsmitglieder brauchte. Also wer war bereit, sich zu engagieren oder sich gar in den Vorstand wählen zu lassen? Schnell war klar: Kindergarten toll, Gründungsmitglied oder im Vorstand sein, na ja?! Was, meine Frau? Lieber nicht! Alhamdulillah erklärten sich genau sieben Geschwister bereit, eine Satzung wurde ausgearbeitet, ein Vorstand gewählt und jedem wurde ein Aufgabenbereich zugeteilt. Weitere Gänge zu den Karlsruher Behörden folgten. Der nächste Schritt war die Ausarbeitung eines pädagogischen Konzeptes und eines finanziellen Konzeptes, denn so ein Projekt braucht Geld für Räumlichkeiten mit Garten, Erzieher/innen und Raumausstattung und Spielmaterialien und vieles mehr. Um zu sehen, wie ein pädagogisches Konzept aussieht, erbat man sich entsprechende Exemplare anderer, zum Teil auch muslimischer Kindergärten, wovon es damals deutschlandweit zwei gab. Die längste erhaltene Ausführung umfasste wenige Seiten. Man stellte in etwa in diesem Umfang das Wichtigste zusammen, um es später mit der/dem Erzieher/in weiter auszuarbeiten. Für das finanzielle Konzept hatte man ein Muster von der Stadt zur Verfügung bekommen. Es mussten Kosten für Räume, Renovierung, Fachpersonal, Lebensmittel, Bastelmaterial, kurzum alles einschließlich Seife und Toilettenpapier berücksichtigt werden. Welche Zuschüsse würde man bekommen? Wie viele Kinder würden kommen? Wie viele davon werden Geschwisterkinder sein? Wie viele Erzieher/innen oder Kinderpfleger/innen, Praktikanten/ innen, Zivildienstleistende würde man brauchen? Das waren alles Fragen, die noch ungeklärt waren.

Die Entwürfe für das pädagogische und finanzielle Konzept mussten natürlich mehrfach überarbeitet werden und so kam es, dass das pädagogische Konzept des Halima Kindergartens ein über 50-seitiges Dokument wurde. Um auf das Projekt aufmerksam zu machen, beteiligte man sich mit Ständen auf Flohmärkten oder Info- und Verkaufsständen auf Festen, sammelte Spenden und zinslose Darlehen. Auf diese Weise kam schon eine beträchtliche Summe zusammen. Das Projekt nahm allmählich Gestalt an: Mehrere Räumlichkeiten wurden besichtigt und nach Fachkräften für den Kindergarten Ausschau gehalten. Während dieser Zeit war man ständig mit den Zuständigen der Jugendämter in Kontakt. Es stellte sich heraus, dass es sinnvoll war, sich einem bereits bestehenden Dachverband anzuschließen. Dafür standen die AWO und die freien Kindergärten zur Auswahl. Man zögerte nicht lange. Der Dachverband der freien Kindergärten war ein bisschen erstaunt, dass eine Gruppe von muslimischen Eltern an der Errichtung eines Kindergartens interessiert war. Nach dem ersten Gespräch war jedoch schnell klar, dass muslimische Eltern ähnliche Anliegen hatten und sich mit solch einem Kindergarten nicht abgrenzen, sondern interkulturell und interreligiös auf die Gesellschaft zugehen wollten.

Der Termin vor dem Jugendhilfeausschuss war bis 1999 mehrmals von Seiten der Stadt verschoben worden. Doch endlich war es soweit: Räume standen in Aussicht und zwei Erzieherinnen hatten zugesagt. Man durfte nun auch bei den Behörden öffentlich von der Idee des unabhängigen Kindergartens von Muslimen sprechen und davon, dass die Karlsruher Muslime kein Ghetto für ihre Kinder wollten. Im Gegenteil, man wollte nicht einen Kindergarten für Muslime, sondern von Muslimen eröffnen. Es sollten dort nicht nur muslimische Kinder aus den verschiedensten Kulturkreisen gemeinsam spielen und lernen, sondern auch andersgläubige Kinder. Dabei sollte die deutsche Sprache gezielt gefördert werden. Der Verein wollte auch gerade das Vertrauen der Eltern erlangen, die Bedenken hatten, ihre Kinder in katholische, evangelische oder städtische Einrichtungen zu schicken und so würde diesen Kindern ermöglicht werden, doch noch einen Kindergarten zu besuchen. Einige Eltern hatten in anderen Kindergärten viele Missstände hautnah miterleben können und wussten, wie man es auf jeden Fall nicht machen wollte. Diese Missstände waren natürlich nicht nur auf das jeweilige Konzept dieser Kindergärten zurückzuführen, sondern wurden auch im Umgang der Erzieher/innen mit den so unterschiedlichen Eltern und Kindern und umgekehrt verursacht. Aus diesem Grund und um ein solches Szenario zu vermeiden, hat man beschlossen, dass im Halima Kindergarten regelmäßige Seminare für das Kindergartenteam sowie für die Eltern angeboten würden, die nicht nur Themen der religiösen Erziehung, sondern auch viele andere aufgreifen, um das Miteinander zu fördern. Man hatte vor, viele Kontakte zu anderen Einrichtungen zu knüpfen und wollte verschiedene Elemente aus den unterschiedlichen Erziehungsmethoden der Waldorf- und Montessori-Einrichtungen in den Kindergarten einbringen. Der Halima Kindergarten sollte für alle ein Ort werden, an dem man sich aktiv für das bessere Verständnis der verschiedenen Religionen, des Islams, der Menschen untereinander und der Schöpfung allgemein sowie für die Freiheit und den Frieden hier und jetzt einsetzen kann.